Die kleinen Freuden des Lebens by Stefan Maiwald

Die kleinen Freuden des Lebens by Stefan Maiwald

Autor:Stefan Maiwald
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Herausgeber: DTV Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2012-03-13T17:13:28+00:00


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|105|Einen Anrufbeantworter souverän vollgequatscht haben

Nicht so einfach, weil man weiß, dass man nur eine Chance hat.

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|106|Alte Fotos gucken

Sentimentale Was-wäre-geworden-wenn-Spielchen spielen und sich danach wieder in die Gegenwart kuscheln.

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|107|Das Wasser, kurz vor dem Aufprall

Es ist ein verdammt kurzer Moment, sicher der kürzeste in diesem Buch. Und dieser Glücksmoment geht so. Es ist Sommer, man ist am Meer oder am See, und man steht bis zu den Oberschenkeln im Wasser. Das Wasser ist kalt, sehr kalt sogar, zumindest kommt es einem so vor, weil man ja vorher auf mittlerer Flamme in der Sonne briet. Die Freunde, die Kinder oder die Freundin haben den schmerzhaften Schritt schon hinter sich und tummeln sich und scherzen. Vor allem über die eigene Zurückhaltung. Na, da kann man schlecht zurückbleiben, auch wenn Bauchnabel und primäre Geschlechtsorgane sich zu Tode fürchten. Und man entscheidet sich, den radikalen Weg zu gehen. Man springt hoch und kopfüber hinein.

Ich versuche, diesen Moment des Schwebens, der keine Zehntelsekunde dauern dürfte, auszukosten. Es ist eine Menge, was da mit einem passiert, und es ist schon erstaunlich, zu welchen Bündeln von Überlegungen man in dieser kurzen Zeit fähig ist. Zuerst ist es der Stolz über die eigene Unerschrockenheit (man hat Flugangst, Angst |108|vor Krieg und Hunger, aber die furchtbare Bedrohung kühlen Wassers: wow!). Dann ist es dieses Wissen um den gleichgleichgleich folgenden lustvollen Schmerz, man hält die Luft an und nähert sich und dann sind es noch zehn Zentimeter, dann noch einer, noch ein halber – und dann kommt der Geist nicht mehr mit.

Man kann diesen Glücksmoment verlängern, indem man einfach gleich vom Dreimeterbrett ins kalte Wasser springt, da dauert die Sache dann fast eine Sekunde, aber ich scheue mich, das ernsthaft zu empfehlen, denn in unserer Vorpubertätsclique kursierten Schauergeschichten von blutjungen Menschen, die sich dabei einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder sogar Aids holten, und ich bin mir nicht sicher, ob da etwas dran sein könnte oder ob sie zu den Geschichten gehören wie »Wenn man aus Spaß schielt, können die Augen für immer so stehenbleiben«. Ich springe jedenfalls nicht vom Dreimeterbrett, ohne mich vorher kurz mit kaltem Wasser abzuduschen. Und aus Spaß schielen tue ich erst recht nicht.



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